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Buntspecht

Diesen Donnerstag waren wir Wiederholungstäter – geplante Wiederholungstäter: Immer wenn wir grosse Zufriedenheit nach einer Date Night verspüren, wollen wir diese teilen. Da wir Besuch hatten, gingen wir in das Restaurant Buntspecht, mitten im Prenzlauer Berg.

Der Buntspecht: Moderne Interpretation des 'Jagdzimmers' – schlicht aber nicht rustikal

Der Buntspecht: Moderne Interpretation des ‚Jagdzimmers‘ – schlicht aber nicht rustikal

Schon vor ein paar Wochen waren wir auf eine Empfehlung hin im Buntspecht eingefallen und wahnsinnig glücklich wieder heraus gekommen. Nun war mein Vater in Berlin. Da er uns an den Wochenenden seiner Besuche immer als Babysitter Freiräume verschafft, bestehen wir im Gegenzug darauf, wenigstens zur Date Night unseren regulären Babysitter anzuheuern und ihn auszuführen. Und wir hatten schon nach unserem ersten Besuch im Buntspecht beschlossen: dies ist ein Laden der auch meinem Vater gut gefallen würde.

Wir nahmen unsere Drinks vorab im ‚Wohnzimmer‘ – ein wundervolles mit original ostdeutschem Interieur ausgestattetes Lokal, in dem man rauchend oder auch nichtrauchend sein Bier oder Wein geniessen kann. In der kalten Jahreszeit starten wir hier gerne in eine Date Night – und für meinen Vater war es allein aufgrund der schedderigen Charme versprühenden Einrichtung ein Highlight.

Der Buntspecht liegt fussläufig nur wenige Minuten und Meter vom Wohnzimmer entfernt in der Senefelder Straße. Wir hatten nicht reserviert, bekamen aber ohne Probleme einen Tisch. Im Prenzlberg dauert es etwas länger, bis sich Restaurants durchsetzen. Helfen dürfte dieser Artikel aus der Morgenpost von vorletzter Woche. Die Einrichtung ist Einfach aber sehr schick, der Service ist nicht nur für Berliner Verhältnisse superfreundlich.

Rosenkohlblätter als Suppeneinlage – das einfache kann so lecker sein

Rosenkohlblätter als Suppeneinlage – das einfache kann so lecker sein

Die Speisekarte des Buntspecht ist übersichtlich und wechselt regelmäßig. Schwerpunkt bei den Zutaten liegt auf Produkten aus der Region. Wir entschieden uns für ein Maronenschaumsüppchen, das mit einer raffinierten Einlage aus Rosenkohlblättern begeistern konnte, einen sehr guten Salat und ein Beef Tartar. Letzteres war einfach gnadenlos gut abgeschmeckt. Das geht nicht besser.

Der Kartoffelrösti mit Waldpilzen und allerlei anderen Beilagen war fein aber keine Sensation, die rosa gebratene Entenbrust genügte sehr hohen Ansprüchen aber das beste Hauptgericht war der Mecklenburger Hirschrücken – auf den Punkt gegart mit sehr feinen Beilagen und einer tollen Sauce. Die Preise für die Vorspeisen lagen um 10, für die Hauptspeisen 15 und 25 Euro, Tartar und Hirsch waren jeweils höher aber angemessen bepreist.

Zu meckern gibt es auch etwas: die Weinauswahl. Wir mögen da etwas wählerischer sein als andere aber keinesfalls pingelig. Das Buntspecht verfügt über ordentliche offene Weine, die Luft nach oben lassen (die weißen noch mehr als die roten), dafür aber die Rechnung nicht in schwindelige Höhen katapultieren. Leider war nichts dabei, was den Hirsch angemessen begleiten konnte, weder im Offen-Ausschank noch bei den Flaschen fand sich ein Wein, der thematisch wirklich passte noch qualitativ annähernd an die Meisterleistung an der Küche heranreichte. Da wünschen wir dem Team vom Buntspecht mehr Mut. Wir sind sicher, wir werden irgendwann wieder hingehen und selber nachschauen, was sich in Sachen Wein im Buntspecht tut – dann müssen wir bestimmt auch reservieren.

Hier geht’s zur Webseite vom Buntspecht

Ambiente: klein, schnörkellos und gemütlich
Preise: leicht gehoben
Preis-Leistungsverhältnis: sehr gut
Fazit: Wiederholungsgefahr

Mädchen ohne Abitur

Letzten Donnerstag machten wir uns auf den Weg nach Kreuzberg. Wir folgten einem Tipp aus dem Freundeskreis und hatten einen Tisch im ‚Mädchen ohne Abitur‘ reserviert. Das war eine weise Entscheidung, sowohl die Wahl des Restaurants, als auch die vorherige Reservierung, denn das Mädel wurde rasch pickepackevoll.

Den Namen verdankt das Restaurant einer wunderbaren Geschichte über eine gescheiterte Filmdiva, Rotlicht, leichte Mädchen (ohne Abitur) und Susi, die mit einem großen Nachlass bedachte Bardame. Deren ‚Erben‘ wiederum servieren jetzt Speisen und Getränke unter Rotlicht, wie es die Kreidetafel vor der Tür verkündet. Wer alle fantastischen Details wissen will, der findet die ‚ganze Wahrheit‘ auf der Website vom Mädchen ohne Abitur.

Auch wenn es aussieht wie ein einschlägiges Etablissement – Tischtelefone gibt es keine im Mädel ohne Matura

Auch wenn es aussieht wie ein einschlägiges Etablissement – Tischtelefone gibt es keine im Mädel ohne Matura

Das Ambiente ist plüschig, 50er Jahre, halbseiden, sehr gemütlich und stimmig. Die Karte ist ein liebenswertes Chaos. Aus jedem Dorf ’n Köter, vom Thaicurry bis zur Roulade, mit merkwürdigen Ideen wie einer Vorspreisenportion Spaghetti Bolognese (bestellt das je irgendwer?). Unsere Wahl fiel auf Dim Sum und Vitello Tonnato vorweg. Ich kann einfach keinem Vitello aus dem Weg gehen, wenn ich eines auf der Karte sehe, betrachte mich mithin, wenn nicht als Experten, so doch als sehr erfahrenen Kalbsfleisch-mit-Thunfischcreme-Verputzer. Und diese sehr klassische Variante mit Kapernäpfeln statt ordinärer Kapern war ausgezeichnet. Die Dim Sum konnten uns ebenfalls begeistern.

Oma hat uns immer gewarnt: Mädchen ohne Abitur enden böse, am Ende gar in einer Fernfahrerkneipe. Und an eine solche erinnerte die Piccata Milanese zum Hauptgang – jedoch nur, was die Portionsgröße angeht. Das Schnitzel war groß, der Berg Nudeln kaum erklimmbar und das gereichte Zitronenpesto himmlisch lecker. Unser zweites Hauptgericht, ein vegetarischer Auberginenauflauf, war ebenfalls sehr gut und völlig überdimensioniert. Der Vorteil für den Gast ist, dass man auch nur einen Hauptgang bestellen und trotzdem pappsatt aus dem Laden rollen kann. 50 Euro zu zweit reichen dann locker.

Mit Lust auf Lecker kunterbunt zusammengewürfelt: hinter dieser Speisekarte verbirgt sich kein Konzept – aber reichlich leckeres Essen

Mit Lust auf Lecker kunterbunt zusammengewürfelt: hinter dieser Speisekarte verbirgt sich kein Konzept – aber reichlich gutes Essen

Wermutstropfen im Mädchen ohne Abitur ist die Weinkultur. Ich erkundigte mich, ob einer der angebotenen Weißweine im Holzfass ausgebaut sei, weil mir solcherlei bereiteter Wein zum Vitello Tonato schmeckt. Ohne um den heißen Brei herumzureden teilte mir unser Kellner mit, weder er noch einer seiner Kollegen wüssten eine Antwort. Der ersatzweise georderte Rotwein war eher schwach. Ich wich schließlich auf einen Faustino Crianza aus, das ist ein verlässlicher spanischer Supermarktwein. Da können die Abkömmlinge von Susi noch eine Schippe drauflegen.

Die mäßige Weinkultur wird von der ansteckenden Fröhlichkeit des Servicepersonals wettgemacht. Hier sind leidenschaftliche Vollblutgastgeber am Werk und das ist uns wichtiger als das letzte Bisschen Perfektion auf dem Teller oder im Glas. Gerade für eine Date Night ist diese Mischung aus Plüsch und Frohsinn ein ideales Ambiente.

Hier geht’s zur Webseite von ‚Mädchen ohne Abitur‘

Ambiente: retroplüsch mit Wohlfühlfaktor
Preise: moderat
Preis-Leistungsverhältnis: sehr gut
Fazit: Das sollte man unbedingt ausprobieren

Tim Raue jr.: ‚la soupe populaire’

Moderne Zeiten: Hier sitzen die Besucher auf dem Podium

Moderne Zeiten: Hier sitzen die Besucher auf dem Podium

Ein guter Freund von uns interviewte vor Jahren den damals dreifach besternten Koch Juan Amador für den Wirtschaftsteil der FAZ zum Thema ‚Die Ökonomie der Sternegastronomie‘. Amador gab zu Protokoll, mit Sterne-Menüs könne man kein Geld verdienen. Auf die Frage, womit denn dann, erwähnte er Fernsehauftritte, Kreuzfahrt-Gigs auf der MS-Europa, Beratungsmandate und das ‚Zweitrestaurant‘. Da könne man trotz günstigerer Preise mit erheblich niedrigerem Wareneinsatz einen sehr profitablen Betrieb aufbauen. Daran fühlte ich mich gestern erinnert. Wir waren im ‚la soupe populaire’, dem Zweitrestaurant von Starkoch Tim Raue und das ‚Senfei tr‘ (letzteres steht für Tim Raue) war zwar das leckerste Senfei unseres Lebens aber am Ende war es ein Senfei.

Mit selbst gemachten Kartoffelchips, Kartoffelstampf, Senfsauce von zweierlei Senf und einem gestrichenen Teelöffeln Keta-Kaviar. Bei einem Preis von 10 Euro für das Schälchen Vorspeise, liegt der Wareneinsatz bei nicht einmal 15%. Gleiches galt für den Kohleintopf mit einer Scheibe Kalbfleisch aus der Keule: der leckerste aller Kohleintöpfe, für 15 Euro bezahlbar aber preislich ohne Bezug zum Wareneinsatz.

Große Handwerkskunst: Leber in  Liebesapfel eingerollt

Große Handwerkskunst: Leber in Liebesapfel eingerollt

Das war für uns ein winziger Mangel. Tim Raues Rezepte sind sehr lecker, bei einigen Gerichten die Handwerkskunst groß (etwa bei der Berliner Leber) und hier darf man das alles mal auf einfachere Zutaten angewendet erleben – dafür zum erschwinglichen Preis. Wer zwei Gänge nimmt und Wein glasweise trinkt, kann als Paar für unter hundert Euro satt und glücklich werden. Die Weinkarte listet einige bezahlbare Weine und diverses überkandideltes auf, die offenen Weine stammen allesamt aus Deutschland (von den Weingütern Schneider, Dreissigacker und Meyer-Näkel), was vielleicht nicht jedermanns Sache ist.

Neben dem Senfei, der Leber und dem Kohleintopf hatten wir noch die sehr guten Königsberger Klopse. Das ist ein undankbares Gericht, denn irgendeiner am Tisch hat immer eine Oma, deren Klopse die besten der Welt sind oder waren, da helfen auch keine Michelin-Sterne. Gestern durfte Eike die Rolle einnehmen, denn wir waren zu dritt. Unser Freund war Strohwitwer und kurzerhand als Gaststar eingekauft. Sein Eisbein vom Spanferkel war ebenfalls sehr gut.

Tische mit Aussicht: Vom Teller schweift der Blick über die Kunst

Tische mit Aussicht: Vom Teller schweift der Blick über die Kunst

Das Ambiente des ‚la soupe populaire’ ist außergewöhnlich. Es liegt im Atelierhaus auf Bötzow, einem Areal an der Prenzlauer Allee. Das halb entkernte ehemalige Fabrikgebäude hat einen urigen Charme und wird als Ausstellungsraum für die Werke renommierter zeitgenössischer Künstler genutzt. Auch wer nicht dinieren will, sollte mal einen Blick riskieren, der Eintritt ist frei. Zu jeder Ausstellung kreiert Tim Raue eine eigene Speisekarte, die durch saisonale Gerichte mit regionalen Zutaten ergänzt wird. Das Restaurant steht frei in der riesigen Ausstellungshalle auf alten Gusseisernen Aufbauten, die windschief aber stabil gleichzeitig stylisch und urig wirken. Enorm gestört hat der Gestank nach Kloake im Eingangsbereich, der glücklicherweise nicht bis in den Gastraum schwappte. Ob ein kurzfristiges Malheur oder grundsätzliche Mängel in der Bausubstanz verantwortlich, die Probleme mithin außerordentlich oder dauerhaft sind, haben wir nicht erfragt.

Eindeutige Anweisung: die internationale Gästeschaar verlangt nach universell verständlicher Beschilderung

Eindeutige Anweisung: die internationale Gästeschaar verlangt nach universell verständlicher Beschilderung

Die Tische sind begehrt, Reservierung ist zwingend notwendig. Wir hatten einen Slot in der ‚Frühschicht‘, weswegen wir schon um 20 Uhr durch mit dem Essen waren. Unser ‚Wohnzimmer‘ liegt nur eine Kurzstrecke mit dem Taxi entfernt und so nahmen wir noch einen Absacker im Rutz. Das werden wir in seiner Funktion als Weinbar und Restaurant noch einmal separat besprechen, sobald wir die Zeit finden.

Hier geht’s zur Webseite von ‚la soupe populaire’

Ambiente: stylisch aber nicht kalt
Preise: moderat
Preis-Leistungsverhältnis: mittelmäßig
Fazit: beeindruckend